Ein Hauch von Wildwest: Hengstauftrieb in der Wetterau

Freitag, den 20. Mai 2011 um 00:00 Uhr Freizeit & Tipps - Outdoor - Natur
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Junger Hengst auf der Sommerkoppel (c) HESSENMAGAZIN.de
Ein Schimmel: Der erste junge Hengst auf der Sommerkoppel (c) HESSENMAGAZIN.de

[Glauburg-Stockheim / Ortenberg-Effolderbach] Die Sommerkoppel liegt mittendrin im Gelände. Angelika und Klaus Bobrich, die Hengstauftrieb veranstalten, hatten wie folgt eingeladen: Am Samstag, den 14. Mai 2011, ab 10 Uhr auf unserer Koppel Nähe Effolderbach. Die Anfahrt am besten von Konradsdorf durch Effolderbach Richtung Stockheim, am Ortsausgang auf dem asphaltierten Feldweg fahren bis zur Wegegabelung... Dort fanden alle hin, die ihre jungen Hengste und Wallache "pferdegerecht" in der Herde aufwachsen lassen möchten.

Hengstauftrieb (c) HESSENMAGAZIN.de  Hengstauftrieb (c) HESSENMAGAZIN.de
Pferdekenner wissen: Schimmel werden mit dunklem Fell geboren (c) HESSENMAGAZIN.de

22 Tiere kamen nacheinander an. Es wurde geraten, besser nicht die Koppel zu betreten. "Im Anfang schauen sie nicht nach rechts und nicht nach links, das könnte gefährlich werden." Bis zum Winter soll dieser Pferde-"Kindergarten" (O-Ton Angelika ;-) erst einmal zusammenbleiben.

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Noch ist er alleine und taxiert in Ermangelung von Artgenossen die Fotografin (c) HESSENMAGAZIN.de

Die Gruppe weist eine unterschiedliche Altersstruktur auf - das ist bewusst arrangiert und bietet einen großen Vorteil. Vom Absetzerfohlen bis zum Vierjährigen lernen die Tiere in der Herde artgerechtes soziales Verhalten.

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Nach dem Winter: Von der 9 qm Box für ältere bzw. 100 qm Laufstall für junge Pferde der erste "Run" über weite Wiesen

Aus dem hinteren Bereich der Koppel kamen nach und nach die älteren Pferde hinzu. Für den Leithengst ergab sich neben der Verwirrung durch den plötzlichen Herdenzuwachs manches Dominanzproblem.

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Rangordnungen werden immer wieder neu festgelegt mit Rempeleien, Tritten und notfalls auch Bissen - lautstark untermalt von hohem Wiehern.

Einmischungen der Pferdehalter waren unerwünscht und hätten auch nichts genützt. Nach den ersten rasanten zwei Stunden dauert es erfahrungsgemäß rund 14 Tage, bis sich alle gut vertragen und eine Herde - eventuell sogar in mehreren Gruppen - bilden.

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Mit und ohne Worte beim Kampf "Der Stärkere gewinnt": Vier- und Zweibeiner-Zuschauer am Rande der Arena

Nach langen Jahren im Dienste der Menschen hat man erkannt, dass Pferde am allerbesten wie in der Wildnis leben, zumal sie die ungehinderte Bewegung in anspruchsvollem Gelände trittsicher und stark macht. Der Besuch ihrer Besitzer einmal pro Woche sichert letztendlich den "Familienkontakt". Das reicht dem Pferd manchmal sogar über den ganzen Winter hinweg.

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Blond, braun, dunkel - bald waren alle von den Beschnupperrunden auf der Sommerweide verschwitzt.

Robusthaltung wird diese Idealform der Pferdehaltung genannt. Sie ist in dicht besiedelten Regionen selten realisierbar. Doch in der Wetterau, am Rande des Mittelgebirges Vogelsberg, können die Herden auf riesigen Weideflächen draußen bleiben.

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Manche Tiere kannten und mochten sich bereits vom letzten Jahr.

Die Koppeln wechseln, im Hochsommer stehen die Tiere unter Bäumen im Wald. Im Winter gibt es dazu Wind geschützte Unterstände, und das Wasser wird mit einer Öllampe frostfrei gehalten.

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Im Galopp wurde ausprobiert, wer sonst noch zueinander passt.

Jeden Tag kommt jemand vorbei und schaut nach dem Rechten. Zudem existiert in der Region ein Netzwerk von Jägern, Förstern und Naturschützern, die untereinander im Landkreis in regem Kontakt stehen und immer ein Auge auf die Herden werfen.

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Pferdefreundschaften werden auf Dauer geschlossen - Besitzer Kommentare vom Zaun her: "Sie sind wie ein Kopf und ein Arsch" :-)

Ganz unterschiedliche Rassen finden jedes Jahr unter der Obhut von Familie Bobrich zusammen. Die Grünlandwirte betreiben seit der Pensionierung von Klaus 1999 eine eigene Haflingerzucht und engagieren sich schon zwanzig Jahre im Naturschutz. Sie waren es auch, die zur Pflege von Naturschutzgebieten neben Rindern den Einsatz von Pferdeherden entwickelten.

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Choreografie nach unsichtbaren Regeln: Das Pferd ist ein Lauftier, lebt im Schnitt 20 Jahre (in menschlicher Obhut). Selten wird es 30 Jahre oder älter.

Es begann damit, dass sie am Anfang für ihre eigenen Pferde Grünflächen vom ehemaligen Hofgut Leustadt pachteten. Inzwischen stehen ihre Herden auf acht Koppeln, selbst in FFH- und Natura2000-Gebieten. Die Pferde und Rinder werden mit viel Sachverstand für Beweidungsprojekte zur Offenhaltung von Naturschutzgebieten eingesetzt.

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In freier Natur ist ein Pferd bis zu 16 Stunden am Tag rund 30 - 40 Kilometer unterwegs.

Die Stutenherde ihres Haflingergestüts in Altenstadt-Heegheim - eigene und Aufzuchtpferde - wurde eine Woche zuvor auf die Sommerweide gebracht. Natürlicherweise leben nun Hengste und Stuten erst einmal getrennt unter freiem Himmel und genießen ihren schönen "wilden" Sommer. Wer in der Nähe auf dem Radweg unterwegs ist oder durch den Vogelsberg wandert, wird seine helle Freude an dem Anblick haben :-)


Weitere Fotos finden Sie in unserer Fotogalerie: www.galerie.hessenmagazin.de

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