Schüsse in Hanau: Kommentar von Brigitta Möllermann - Nachtrag (Update)

Freitag, den 21. Februar 2020 um 11:05 Uhr News Ticker - Offene Worte
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Symbolbild - Stadt in der Nacht (c) HESSENMAGAZIN.de[Hanau] Nein, ich will und werde nicht sagen, hier wäre nichts passiert, denn es ist krass: In der Nacht auf Donnerstag, den 20.02.2020, ist einer (1) von knapp 100.000 Einwohnern in dieser Stadt mit einer (legal erworbenen) Waffe in seinem eigenen Auto losgezogen und hat fast ein Dutzend Menschen ohne Vorwarnung und mögliche Gegenwehr totgeschossen. JEDOCH: Mich stört der Rummel und aufgeblasene Medienwirbel rund um die Tat dieses Einzeltäters. Gleich morgens wurden die Vor-Ort-Reporter vom Sprecher der Tagesschau ausgefragt, ob nun die Stadt als Folge "in Panik" ist und ob jetzt die Schulen geschlossen würden.

Bis zum Abend gab es in ununterbrochender Folge Pressekonferenzen und Statements von hochrangigen Politikern, die sogar persönlich anreisten. In den Nachrichten abends wurde schließlich von "Rassismus" und einem "Terroranschlag" berichtet und dass "die Stadt wie gelähmt" wäre. Folge: Ich wurde von meiner Verwandschaft telefonisch kontaktiert, ob es mir gut ginge...

Kranzniederlegung, Mahnwache, Kondolenzbuch: Muss sein bei so einem Ereignis. Was soll man denn sonst gegen seine Hilflosigkeit tun..?

Heute Morgen schickte dann eine - später auch die zweite - seriöse Institution eine Sammel-Pressemeldung, in der man sich besorgt und mittrauernd zeigte und dazu aufrief, an allen möglichen Orten eine Woche lang vorhandene Fahnen auf "halbmast" zu setzen: Die Fotos davon sollen dann im Internet veröffentlicht werden....

Da frage ich mich: Muss eventuellen Nachahmern in den Medien SO eine große Bühne geboten werden?

Die Welle, auf der alle drängelnd und sich gegenseitig übertreffend mitgesurft sind, ebbt gerade ab. Was zurückbleibt sind Menschen, denen ihre Verwandten und Freunde für immer genommen wurden - sowie die immer klarer werdende Tatsache, dass der Täter vermutlich psychisch krank war. Er hat am Ende nicht nur sich selbst freiwillig erschossen, sondern wahrscheinlich auch bei seinem "erweiterten Selbstmord" seine Mutter. Und das bereits, bevor die Polizei ihn fand.

Ansonsten wäre er nie "auffällig" gewesen, heißt es aus seiner Umgebung...


Übrigens: Vielfach wurde im Übereifer der Berichterstattung von einer "Schießerei" geschrieben.

ABER: "Eine Schießerei ist eine gewalttätige Auseinandersetzung, an der mindestens zwei (2) mit Schusswaffen ausgerüstete Personen involviert sind. Bei der Definition der Schießerei ist es unerheblich, ob dabei Menschen getötet werden oder nicht." (Wikipedia)


Nachdem nun allle Medien auf dem Thema herumgeritten sind und es bei manchen sogar zu einem "Terror-Anschlag auf Hanau" hochstilisiert worden ist, meldet sich der Oberbürgermeister der Stadt in einer Pressemeldung am 23.02.2020 zu Wort:

"Vorsicht im Umgang mit Informationen im Netz"

OB Kaminsky fordert zu kritischem Hinterfragen der Inhalte auf

Besonnenheit und Vorsicht im Umgang mit den derzeit sich im Internet verbreitenden Informationen rund um den Anschlag in Hanau fordert Oberbürgermeister Claus Kaminsky und mahnt, die jeweiligen Quellen der Spekulationen kritisch zu hinterfragen.

Aus Sicht des Hessischen Landeskriminalamts gebe es derzeit „keinen Grund, im Zusammenhang mit dem Attentat von einer akuten weiteren Gefahr auszugehen“.

Allen Hinweisen zum Tathergang gingen Landes- und Bundeskriminalamt unter Leitung des Generalbundesanwalts akribisch nach. Zentral gesammelt werden diese Hinweise sowie Fotos oder Videos unter anderem auf dem eigens dafür eingerichteten Portal, das unter www.bka-hinweisportal.de erreichbar ist. Die telefonische Kontaktaufnahme ist unter der 0800 0130110 möglich.

Zu den höchst fragwürdigen Spekulationen zählt Kaminsky beispielsweise die per Video verbreitete Verschwörungstheorien. Darüber hinaus kritisiert er Falschinformationen auf der Basis purer Vermutungen und aus dem Zusammenhang gerissene Sprach-, Text- oder Videonachrichten.

Als ein Beispiel dafür nennt er ein Video in den sozialen Netzwerken, das von einem angeblichen Naziaufmarsch in Wolfgang wenige Stunden nach der Mahnwache am Donnerstag Abend berichtete. Sofort wurde im Netz zu Gegendemonstrationen aufgerufen. Tatsächlich aber zeigte das Video einen Zug antifaschistischer Demonstranten in der Leipziger Straße, der unter polizeilicher Begleitung stand.

Darüber hinaus kursieren im Internet eine Vielzahl an Sprachnachrichten von vermeintlichen Augenzeugen, in denen aber definitiv falsche Informationen zum Tathergang gemacht werden.

Eine ganz persönliche Wahrnehmung, wie die Wahrheit verdreht werden kann, hat der OB nach eigenen Worten auch schon am eigenen Leibe erfahren, nachdem er in der Tatnacht von der BILD live per Telefon interviewt wurde. In einem Video wird verbreitet, dass die Zeitung dem OB in einem Skript vorgeschrieben habe, was er sagen dürfe. „Das ist natürlich völliger Quatsch. Als ich angerufen wurde, habe ich spontan geantwortet. Dafür gab es weder eigene noch fremde Notizen geschweige denn einen vorgeschriebenen Text.“

(Stadt Hanau)

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