Schutzprogramm für Rebhuhn, Feldlerche & Feldhamster

Mittwoch, den 09. Mai 2018 um 14:43 Uhr Gut zu wissen - Landwirtschaft + Naturschutz
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Der drastische Verlust an biologischer Vielfalt im Offenland kann gestoppt werden

Spaziergang im Offenland (c) HESSENMAGAZIN.de[Hessen] "Unser neues Schutzprogramm liefert einen wichtigen Baustein zum Erhalt stark gefährdeter Arten. Ein effektiver und aktiver Naturschutz ist zentrales Anliegen meiner Politik. Dafür braucht es mehr als Geld, aber ohne Geld bleiben viele dringend benötigte Projekte auf der Strecke. Darum haben wir in dieser Wahlperiode Fördermittel für den Naturschutz in Höhe von 68 Millionen Euro eingestellt. Mit dem Doppelhaushalt 2018/19 haben wir sogar die Rekordsumme von 19 Millionen Euro jährlich für den Naturschutz eingeplant“, sagte Umweltministerin Priska Hinz bei der Vorstellung zum Schutz der Leitarten der Feldflur. Stellvertretend für viele weitere Arten zählen dazu in Hessen u. a. der Feldhamster, das Rebhuhn und die Grauammer.

„Bis vor wenigen Jahrzehnten waren diese Tiere noch 'Allerweltsarten', weil sie auf allen landwirtschaftlich genutzten Flächen in ganz Hessen stark verbreitet waren. Heute stehen sie exemplarisch für die Verlierer der immer intensiveren Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen“, erläuterte Hinz. Das Schutzprogramm zielt jetzt darauf ab, die noch bestehenden Lebensräume dieser gefährdeten Arten in der hessischen Agrarlandschaft zu erhalten und neue heranzubilden.

„Im sogenannten Offenland ist die biologische Vielfalt zunehmend bedroht. Darum müssen wir konsequent handeln, denn diese negative Entwicklung lässt sich aufhalten. Dabei geht es um das Anlegen von Blühflächen, Brachen, Feldrainen und Hecken, die früher häufige Bestandteile der Kulturlandschaft waren aber heute schmerzlich fehlen“, so die Hessische Umweltministerin Priska Hinz weiter. Das Schutzprogramm „Förderung von Leitarten der Feldflur“ wird in zehn Schwerpunkträumen in Hessen umgesetzt. Hierfür stehen dieses und nächstes Jahr bis zu 700.000 Euro für Projekte zur Verfügung.

Start mit drei Feldflurprojekten

Die ersten drei Feldflurprojekte werden in Wiesbaden, im Main-Kinzig-Kreis sowie im Wetteraukreis umgesetzt. Weitere Projekte im Hochtaunuskreis und im nordhessischen Bad Zwesten werden im Herbst 2018 an den Start gehen. Auch die Vorbereitungen für Ackerprojekte im Kreis Gießen, im Limburger Becken und im osthessischen Fulda laufen und sollen ab 2019 umgesetzt werden.

Partnerschaft mit Naturschutz und Landwirtschaft

Die Naturschutzverbände waren bei der Planung von Anfang an beteiligt und spielen in der Umsetzung eine entscheidende Rolle. „Wir begrüßen die Initiative zum verstärkten Artenschutz in der Agrarlandschaft, denn die Restbestände des Rebhuhns, der Feldhamster, der Feldhummeln, der Feldlerchen und vieler anderen Arten brechen in den letzten Jahren dramatisch zusammen“, sagte Jörg Nitsch, Vorsitzender des hessischen Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) stellvertretend für die anderen beteiligten Naturschutzverbände HGON, NABU und dem Hessischen Jagdverband. Auch der Hessische Bauernverband und die Vereinigung Ökologischer Landbau (VÖL) in Hessen haben ihre Unterstützung zugesagt. „Die Landwirtschaft in Hessen will ihren Beitrag dazu leisten, den Lebensraum für Bestäuber oder andere Arten im Offenland zu verbessern“, sagte der Vizepräsident des Hessischen Bauernverbands, Thomas Kunz bei der Vorstellung des Feldflurprogramms in Wiesbaden. Die verschiedenen Projekte auf Landesebene zeigten, dass es durch gemeinsame Arbeit von Politik, Naturschutz und Landwirtschaft gelingen könne, eine wirksame Verbesserung der Bedingungen für diese Arten zu erreichen.

Projekte aktiv anschieben – Finanzinstrumente bündeln

Es gilt, alle Kräfte zu bündeln und die Kooperation möglichst vieler Akteure in den Projektkulissen auf den Weg zu bringen. „Wenn Verwaltung, Landwirtschaft, Naturschutz und die Akteure vor Ort einbezogen sind, an einem Strang ziehen und die nötigen Finanzmittel bereitstehen, wird es gelingen, die Lebensbedingungen für die Arten im Offenland wieder zu verbessern und ihnen eine dauerhafte Lebensgrundlage zu geben“, machte Umweltministerin Hinz deutlich. Wichtig für den Erfolg und die Einbindung der landwirtschaftlichen Betriebe sind auch externe Fachberater und Artenexperten, die bei der Staatlichen Vogelschutzwarte und dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) angesiedelt sind. „Um die Feldflurprojekte aktiv anzuschieben, stellt die Landesregierung für die Projekt-Organisation und die Planung von Maßnahmen Finanzmittel in Höhe von rund 700.000 Euro für die Jahre 2018 und 2019 zur Verfügung. Daneben stehen Fördermittel über bestehende Programme, wie die Agrarförderung HALM und Förderung von Naturschutzprogrammen über GAK sowie über die Umweltlotterie GENAU bereit“, erklärte Hinz.

Projekte sind Trittsteine für biologische Vielfalt

„Ziel der Landesregierung ist es, Rebhuhn, Feldhamster, Ackerwildkräuter und andere Arten der Feldflur wieder fest in den großflächigen Projektgebieten zu beheimaten“, unterstrich Ministerin Hinz. Die geplanten Schutzprojekte umfassen eine Gesamtfläche von rund 40.000 Hektar, verteilt über Hessen. Sollten die Projekte erfolgreich verlaufen ist eine Verlängerung und Ausdehnung auf andere Agrarlandschaften geplant. Ministerin Hinz erwartet, dass hierfür im Rahmen der, in den kommenden Jahren notwendigen, Neufassung der Agrarförderung die Voraussetzungen geschaffen werden.

Hintergrundinformationen - Kurzbeschreibung der Feldflurprojekte

Projekt „Wiesbaden-Ost“

Die Schutzmaßnahmen auf Feldern im Wiesbadener Osten zielen besonders auf die Leitarten Rebhuhn und Feldhamster ab. Während beide Arten früher oft auf den Äckern zu beobachten waren, sind Rebhühner stark dezimiert, Feldhamster galten sogar schon als verschollen. Erst im vergangenen Jahr wurde der Feldhamster erstmals wieder im Projektgebiet nachgewiesen. Brachflächen, ein- und mehrjährige Blühstreifen und weitere Maßnahmen in dem etwa 6.000 Hektar umfassenden Projektgebiet im Osten und Norden von Wiesbaden sollen den Arten in Zukunft Nahrung und Schutz bieten. Hauptakteure sind das Wiesbadener Umweltamt und der Hegering Wiesbaden-Ost, der auf Basis seines Lebensraumkonzeptes bereits erste Maßnahmen umgesetzt hat. Weitere Akteure im Projektgebiet sind das Amt für den ländlichen Raum Limburg-Weilburg, das Regierungspräsidium Darmstadt, die AG Feldhamsterschutz der HGON, NABU und BUND, das Naturschutzhaus Wiesbaden sowie Landwirte, die sich bereit erklären auf ihren Flächen die notwendigen Maßnahmen durchzuführen.

Projekt „Main-Kinzig-West“

Im westlichen Main-Kinzig-Kreis steht der Feldhamster im Fokus. Blühstreifen, Hamsterstreifen und sogenannte „Mutterzellen“ in denen das Getreide als wichtige Nahrungsquelle für den Feldhamster bis in den Herbst stehen bleibt, sollen den lokalen Hamsterbestand auf der rund 6.000 Hektar Projektfläche schützen und sichern. Dies ist Basis für die Hamsterpopulation bis hin nach Frankfurt, Hanau und in Richtung Wetterau. Der bereits bestehende Vertragsnaturschutz soll jetzt intensiviert und auf andere Arten ausgeweitet werden. Neben dem Feldhamster sollen auch Rebhuhn, Feldhase, Feldlerche und Feldsperling gefördert werden. Auch hier werden zahlreiche Akteure aus Verwaltung, Naturschutzverbänden, Landwirtschaft und weitere Aktive beteiligt sein.

Projekt „Wetterau“

Die Wetterau mit ihren sehr guten Ackerböden bietet zwar traditionell gute Lebensräume für Grauammer, Feldhamster, Rebhuhn & Co. Doch auch hier müssen die Auswirkungen des landwirtschaftlichen Strukturwandels dringend mit einem großflächigen Feldflurprojekt von mehr als 12.000 Hektar aufgefangen werden, um diesen Arten nachhaltig das Überleben zu sichern. Geplante Maßnahmen sind beispielsweise ein- und mehrjährige Blühstreifen, Feldvogelfenster – Bereiche, inmitten der Getreidefelder, die nicht eingesät werden und so einen Brutplatz und Schutz für Bodenbrüter bieten sowie über den Winter stehengelassene Stoppeläcker als Schutz und Nahrungsquelle. Federführender Akteur im Wetteraukreis wird der Landschaftspflegeverband (Naturschutzfonds Wetterau) sein, der von Akteuren aus Verwaltung, Naturschutz und Landwirten unterstützt wird.

Projekt „Bad Zwesten“

Das nordhessische Projekt in Bad Zwesten im Schwalm-Eder-Kreis zielt besonders auf den Schutz des Rebhuhns ab. Auf einer Projektfläche von 2.700 Hektar sollen 2018 die ersten Blühstreifen als Nahrung und Schutz für das Rebhuhn realisiert werden. Das von einem Landwirt und der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz initiierte Projekt wird vom Regierungspräsidium Kassel begleitet.

Projekt „Hochtaunus-Kreis“ (zwei Teilprojekte)

Der Hochtaunus-Kreis wird aktuell nur noch spärlich vom Rebhuhn besiedelt. Der Feldhamster gilt gar als verschollen. Der Lebensraum beider Arten soll durch Maßnahmen in zwei Teilprojekten verbessert werden: dem Teilprojekt „Bad Homburg“ mit 4.400 Hektar und dem Teilprojekt „Usinger Senke“ mit 4.000 Hektar. Die Projekte sind auch überregional von Bedeutung, da der Hochtaunus-Kreis mit seinen Ackergebieten ein wichtiges Bindeglied im Lebensraum-Verbund der Arten zwischen Wetterau und westlichem Rhein-Main-Gebiet darstellt. Federführend ist der Landschaftspflegeverband des Kreises mit Unterstützung des Amtes für den ländlichen Raum.

Projekt „Gießen Süd“

Ausgehend vom „Mittelfristigen Maßnahmenplan“ für die FFH-Art Feldhamster im Bereich des Gießener Hügellandes bei Langgöns / Holzheim sollen in einem Feldflurprojekt auch die Arten Rebhuhn, Grauammer, Feldlerche und verschiedene Hessen-Arten in den Fokus des amtlichen Naturschutzhandelns gerückt werden. Federführend ist im 2.000 Hektar großen Flächenprojekt das Regierungspräsidium Gießen.

Projekt „Goldener Grund“ bei Limburg

Der „Goldene Grund“ bei Limburg ist eine als EU-Vogelschutzgebiet für Rastvögel ausgewie­sene Ackerlandschaft, die eine kleine Feldhamster-Population in ungünstigem Erhaltungszu­stand aufweist. Unter Federführung des Regierungspräsidiums Gießen und mit Unterstützung des Amtes für den ländlichen Raum des Kreises Limburg-Weilburg werden neben dem Hamster auch Feldvögel wie Wachtel, Rebhuhn, Kornweihe und Regenpfeifer gefördert.

Förderprogramme und neue Programme zur Finanzierung der Feldflurprojekte

Neben den Sondermitteln in Höhe von 700.000 Euro für 2018 und 2019, werden bestehende Förderprogramme in den Projekträumen gebündelt und neue Programme aufgelegt. Dies gilt besonders für das Hessische Programm für Agrarumwelt- und Landschaftspflege-Maßnahmen (HALM). Auch Ersatzgelder, die als Kompensation für Eingriffe in die Natur gezahlt werden und sogenannte Ökopunkte-Projekte, die einen Eingriff in die Natur an anderer Stelle ausgleichen, sollen gezielt in die Feldflur-Kulissen gelenkt werden, um eine Verbesserung der Lebensräume zu erreichen. Außerdem sollen Mittel aus den Erlösen der Umweltlotterie GENAU die Projekte unterstützen.

Als neues Förderinstrument für Rebhuhn, Hamster & Co stehen seit 2018 Mittel aus dem Programm „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes – kurz GAK – zur Verfügung. Diese Mittel können für investive Maßnahmen eingesetzt werden, wie z.B. die Anlage artenreicher Hecken. Hinzu kommen Maßnahmen der Naturschutzverbände und Hegeringe sowie freiwillige Maßnahmen der Landbewirtschafter.

Quelle Text: Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz


Gut zu wissen

Die Feldflur - zusammengesetzt aus Feld (landwirtschaftlich nutzbare Fläche) und Flur (offene Landschaft).

Das Offenland ist im Gegensatz zum Wald oder unseren Siedlungsgebieten eine nicht überbaute Fläche, die u. a. landwirtschaftlich genutzt wird wie Äcker sowie Wiesen und Weiden (Grünland) plus Moore. Weiterhin zählt man felsige Blockhalden, ehemalige Truppenübungsplätze oder "Bergbau-Folgelandschaften" dazu. Das Offenland wird im günstigen Fall von selten gewordenen und speziell angepassten Tier- und Pflanzenarten besiedelt.

Leit- oder Zeigerarten stehen für das Vorkommen charakteristischeTier- und Pflanzen im Ordnungssystem der Natur, bezogen auf die dafür relevanten Biotope <-KLICK.

Quelle: Brigitta Möllermann, HESSENMAGAZIN.de

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