Sich sehr sehr schlau machen: Neue Spachmarotte

Montag, den 21. Januar 2019 um 08:00 Uhr Gut zu wissen - Dossier: Sprache und Verstand
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Da guckstu (c) HESSENMAGAZIN.de[Hessen - Deutsch] Wir lernen das Sprechen schon als Baby beim Zuhören. Als Heranwachsende/r übernehmen wir die Art zu sprechen von unserer Clique und später von der Gesellschaftsschicht, in der wir uns bewegen. Weil wir jedoch alle fernsehen und dazu oft YouTube nutzen und überall dort immer mehr Privatleute* zu Wort kommen, schleifen sich individuelle Besonderheiten unserer Sprache mit der Zeit ab. Auf diese Weise ist in letzter Zeit die wunderliche Angewohnheit aufgekommen, Umstandswörter zu verdoppeln und zu verdreifachen.

Umstandswörter - Adverbien <-KLICK sind nicht zu steigern. Das lernt man in der Schule- Deutsch / Klasse 5 oder 6. Um aber mehr Bedeutung reinzubringen, vervielfacht man sie ganz-ganz einfach.

Ähäm war gestern


Gut zu wissen

Ungeschulte *Privatleute im Fernsehen und online schaffen Pseudonähe. Einerseits hat man als Zuschauer das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein. Und andererseits weiß man: "Das kann ich auch". Der große Vorteil an der Sache: Die Privatplapperer kosten (fast) nichts. Im Gegenteil, sie sind auch ohne Honorar stolz auf ihren Auftritt.

Werbeleute nutzen diesen Effekt ganz bewußt. Die "Frau von Nebenan" empfiehlt ihre tolle Zahnbürste / Brille / Tütensuppe; der Nachbar seinen Rasenmäher oder den erstaunlich großen Kofferraum der neuen Familienkutsche... und so weiter.

Wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, plappern auch Promis in Sendungen: Als "Talking Heads" kommentieren sie Dokumentationen, kichern und schwatzen sich durch Talk-Shows und spielen "wie du und ich" in Ratesendungen mit.

Ganz krass sind die eben ihrer Pubertät entwachsenen YouTuber, die u. a. mit Werbeeinblendungen in ihren Videos Geld verdienen. Je höher die Besucherzahlen ihres "Kanals", desto mehr fließt auf ihr Konto. Wie das? Sie stellen ihren meist jugendlichen Fans wunder-wunderbare Kosmetik, viel-viel Musik und ganz-ganz spannende Spiele vor.

Übrigens

Talking Heads sind "sprechende Köpfe", das heißt: Kommentatoren, die in dokumentarischen Filmen vorgefertigte Erklärungen abgeben oder bei Podiumsdiskussionen bzw. in Talkshows der Reihe nach ihre Meinungen öffentlich verbreiten, während das Pulblikum als "schweigende Masse" wirkt.

Eine Marotte nennt man eine absonderliche Charaktereigenschaft, einen Spleen oder Tick, in gelinder Form eine "kauzige" Angewohnheit.

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