Selber schreiben ist doof

Mittwoch, den 12. Dezember 2018 um 10:00 Uhr Gut zu wissen - Dossier: Sprache und Verstand
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Das Redaktionsteam von HESSENMAGAZIN: Leo und seine Chefin (c) HESSENMAGAZIN.de
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[Wetterau] Zum wiederholten Mal hat der Energieversorger OVAG (Oberhessische Energie AG) ein Buch herausgebracht, für das Menschen aus der Region ihre Geschichten notiert und zur Veröffentlichung hergegeben haben. Der Pressesprecher des Unternehmens, der hin und wieder auch selbst etwas verfasst, hat auf diese Weise anscheinend eine Goldader entdeckt. Die zig Autoren des Buches bekommen nämlich - as usual - kein Honorar, sondern als Lohn und Dankeschön lediglich eins der fertigen Buchexemplare.

Alle anderen Bücher werden für rund 20 Euro an die Kundschaft und sonstige geneigte Leser verkauft. Dafür wird auch noch in den regionalen Zeitungenredaktionen und in der OVAG Hauszeitschrift ordentlich (kostenlos und mit ausgesuchten Worten) die Werbetrommel gerührt.

Zitat: Die Autoren vermitteln ... umfassenden Überblick ... beleuchten schlaglichtartig ausgewählte Themenfelder... Garniert werden die Darstellungen mit einem bunten Allerlei aus Ereignissen und episodenhaften Erlebnissen, die Alltägliches und Kurioses berichten.
Mehr dazu: https://www.ovag-gruppe.de/konzern/news/buecher-shop.html

Und alle Mitwirkenden sind stolz wie Oskar <-KLICK

Genau das ist die seit Jahren fantastisch funktionierende Methode. Sie hat etwas mit sogenannter Schwarmintelligenz (oder Dummheit?) zu tun. Aber auf jeden Fall ist es eine "übereinstimmende Entscheidungs­findung", so wie alle Trends und Must-Haves: Das Shopping zu Weihnachten, das Posten bei facebook oder Quatschen per WhatsApp. Da muss man doch einfach mitmitmachen, sonst gilt man eventuell noch als Nobody...

Jedoch: Der Spiegel schrieb zur "Weisheit der Masse": Gemeinsam sind wir dümmer <-KLICK. Und der Deutschlandfunk denkt über Herdendummheit nach <-KLICK. So what.

Der übliche Weg, ein Buch zu schreiben als "Klammer persönlicher Geschichten und Chronik eines Jahrzehnts" wären in der Regel eigene Interviews eines schreib- und erzählwilligen Autors. Landläufig auch Schriftsteller oder Journalist genannt - je nach Ansatzpunkt :-)

Diese Arbeitsweise ist logischerweise mit einer Menge Kreativität und zeitintensiver Recherchearbeit verbunden. Und sie erfordert zusätzlich Grips im Köpfchen. Wohingegen das Redigieren (aussuchen, korrigieren und aufbereiten) in wenigen Wochen einfach zu erledigen ist.

Das Geschichteneinsammeln von anderen Leuten hat zwar eine lange Tradition (siehe: Brüder Grimm) und das Erzählen eigener Geschichten ist für jeden von uns eigentlich immer eine schöne persönliche Erfahrung (sofern man Gehör findet).

Was einem an der ganzen Sache jedoch aufstoßen kann, ist die wenig großzügige Art plus das Geschäft, das der Energieversorger in aller Selbstverständlichkeit ohne die "Lieferanten" daraus macht!