[Frankfurt] Wenn man diese Stadt am Main denkt, fallen einem meistens die Skyline ein, die Wolkenkratzer im Bankenviertel ein - oder der riesige Airport, der größte Flughafen Deutschlands, ein 24-Stunden-Mega-Betrieb mit 80.000 Jobs. Über den Kaiserdom spricht kaum jemand. Die Ausstellung in der Türmerstube des Kaiserdoms könnte das ändern.
Der Turm wurde einst als Brandwache gebaut, ein praktisches Gebäude mit Wohnung für den Türmer und seine Familie. Er diente unter anderem als militärischer Beobachtungsposten und war Ausdruck von Stolz, Unabhängigkeit und Frömmigkeit der Frankfurter Bürgerschaft.
Ab 1415 wurde er als Westurm des Kaiserdom St. Bartholomäus errichtet, mit einem provisorischen flachen Spitze im Jahr 1514. Mit seinen 95 Metern Höhe und einer Aussichtsplattform auf 66 Metern, zu der 328 Stufen einer engen Wendeltreppe hinaufführen, gehört er zu den geschichtsträchtigsten Bauwerken Frankfurts.
Die "Enstehung" des Doms
Jahr | Ereignis |
---|---|
vor 680 | Erste merowingische Kapelle am heutigen Domstandort |
8.–9. Jh. | Ausbau zur karolingischen Palastkapelle |
12. Jh. | Romanischer Neubau als Stiftskirche mit Bartholomäuspatrozinium |
13.–14. Jh. | Gotischer Umbau: Langhaus, Chor und Querhaus entstehen |
1415 | Baubeginn des Westturms (Domturm) durch Stadt und Kirche |
1514 | Provisorischer Abschluss des Turms bei ca. 67 m – Helm nicht vollendet |
1806 | Auflösung des Heiligen Römischen Reichs – neue Bedeutung für gotische Architektur |
1867 | Verheerender Brand im Dom – Turm und Kirche stark beschädigt |
1869–1880 | Restaurierung und Vollendung des Turms durch Franz Josef Denzinger – Kreuzblume als Spitze |
1944 | Zerstörung großer Teile des Doms im Zweiten Weltkrieg |
1950er–70er | Wiederaufbau und Restaurierung des Doms |
2024/25 | Eröffnung der Dauerausstellung „Turm und Stadt“ in der Türmerstube |
Besucherinformationen finden Sie HIER <-KLICK.
Am 7. September 2025 könnte ein Besuch besonders interessant sein: Zu "Full Moon – Mondfinsternis und Vollmond“ um 20 Uhr trifft man sich auf der Aussichtsplattform des Domturms. Die Teilnahme kostet 6 € plus Eintritt, die Anmeldung dafür bitte per E-Mail an: Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. .
Gut zu wissen: Menschliche Warnmelder
Die Wohnung des Türmers liegt direkt unter der Aussichtsplattform des Domturms. Sein Job war es früher, die Stadt im Blick zu halten auf der Suche nach Brandgefahr, Feinden, Unwettern oder ankommenden Marktschiffen. Seine Warnungen signalisierte er per Horn, dem Schwenken einer Fahne oder im Dunkeln einer Laterne.
Ein Leben ohne Romantik mit viel Verantwortung und wenig Komfort
Die Behausung war klein, zugig und feucht. Heizen war schlecht möglich. Als Folge litten die Türmer an Rheuma, Gicht und Lungenentzündung. Manche erfroren sogar im Winter – trotz der Schaffelle auf denen sie schliefen. Eine ihrer Aufgaben war u. a. das Schlagen der Glocke oder des Blasen eines Horns zur vollen Stunde. Neben einer Sand- oder Sonnenuhr verfügten Türmer ab dem 15. Jahrhundert zunehmend über die ersten mechanischen Räderwerkuhren.
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Die Meldung der Stadt Frankfurt zum Thema
Am 18. August 2025 wurde die Ausstellung „Turm und Stadt, und neu: Wofür man einen Domturm braucht“ in der Türmerstube des Frankfurter Kaiserdoms eröffnet. In den drei kleinen Räumen 66 Meter über der Stadt erzählt die Ausstellung mit vielen Bildern und Dokumenten zum Anschauen, Lesen und Hören vom Leben und Arbeiten auf dem Turm – und über die Liebe der Einheimischen sowie der Fremden zu dem Frankfurter Wahrzeichen.
Berichte von Besucherinnen und Besuchern wie Victor Hugo und Cornelia Goethe, eine dreidimensionale Installation des Künsterinnen-Duos Sounds of Silence und ein animierter Film von Stefan Matlik lassen den Alltag des Domtürmers in der Türmerstube wieder lebendig werden. Die Schauspieler Michael Quast und Stefani Kunkel leihen dem Domtürmer und seiner Frau ihre Stimmen.
„Was viele nicht wissen und vielleicht etwas verwundert: Der Kirchturm war von Anfang an vor allem ein städtisches Gebäude. Eine wesentliche Funktion war die Nutzung als Brandwache. Um das rund um die Uhr zu gewährleisten, wurde eine Wohnung für den Türmer und seine Familie eingerichtet“, sagt Kämmerer Bergerhoff. „Mit der Dauerausstellung in der Türmerstube haben wir diesem Raum wieder Leben eingehaucht. Jetzt lässt sich endlich Näheres über die Baugeschichte, über die Türmer und über die Stube als Wohnort und als Brandwache erfahren.“
Der Domturm diente nicht nur der Repräsentation, sondern auch ganz praktischen Zwecken
„‚Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt, dem Turme geschworen, gefällt mir die Welt.‘ – Goethe hat das Türmerlied aus dem Faust nicht in Frankfurt geschrieben, es ist ein Alterswerk aus Weimar. Aber das ihm dabei auch der Pfarrturm des Bartholomäusdomes mit seiner Türmerwohnung in den Sinn kam, das will ich wohl glauben. Diesen Anblick vergisst man nicht. Heute nur noch Mittelfeld der vielen Frankfurter Hochhäuser ist er doch der Turm der Herzen geblieben“, betont Dompfarrer Johannes zu Eltz.
1415 wurde der Grundstein des Pfarrturms von St. Bartholomäus gelegt, der seit dem ersten provisorischen Bauabschluss 1514 das Wahrzeichen Frankfurts ist. Er verkörperte den Stolz und die Unabhängigkeit der Frankfurter Bürgerschaft und war zugleich ein Zeichen ihrer Frömmigkeit. Der Turm sorgte für Finanznöte und war Ort vieler Festlichkeiten, diente als Wache und als Wohnung, wurde kritisiert und bewundert.
Unzählige Besucherinnen und Besucher stiegen die 328 Stufen zur Galerie hinauf, um den Blick auf die Stadt und ihre Umgebung zu genießen. Die Ausstellung erzählt in drei Kapiteln in den drei kleinen Räumen der Türmerstube die Baugeschichte und viele Turmgeschichten aus über 600 Jahren.
Wie Türme die Stadt sichtbar und hörbar machen
Seit dem Mittelalter prägten die Türme von Kirchen, Stadtmauern und -toren, Rat- und Zunfthäusern das Bild der Städte. Anzahl und Höhe der Türme vermehrten das Ansehen einer Ortschaft. Sie schmückten die großen Gotteshäuser und zeugten vom Selbstbewusstsein der städtischen Kommunen. In Frankfurt beschlossen Stadtrat und Bartholomäus-Stift – das ist der heutige Dom – im Jahr 1414 gemeinsam den Bau des Pfarrturms. Der Kirchturm war also von Anfang an vor allem ein städtisches Gebäude. Aus dieser doppelten Auftraggeberschaft resultierte eine fortdauernde Konkurrenz um die Nutzung. Dabei ging es vor allem um die im Turm aufgehängten Glocken – die Stimme der Stadt.
Aufgrund der langen Bauzeit und der hohen Kosten kamen die Bauarbeiten an vielen Kirchtürmen im 16. Jahrhundert zum Erliegen – so auch in Frankfurt. 1514 war man bei 67 Metern angelangt und die kleine Kuppel auf der Turmspitze wurde geschlossen. Die zierliche gotische Laterne nach dem Entwurf von Madern Gerthener wurde nicht vollendet, auch der Skulpturenschmuck und die filigrane Bauzier wurden nicht ausgeführt. So blieb der Turm als Zweckbau über Jahrhunderte stehen.
Die Diskussion um seine Vollendung wurde bereits im 18. Jahrhundert geführt. Mit den verlorenen Kriegen gegen die Armeen Napoleons und der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation 1806 belebte sich das Interesse an der Gotik als angeblich deutschem Nationalstil aufs Neue und führte zur Vollendung vieler Domkirchen und -türme wie in Köln, Regensburg, Ulm und Frankfurt.
1867 gab ein verheerende Dombrand den Ausschlag: Der Architekt und Ingenieur Franz Josef Denzinger, der sich zuvor in Regensburg bewährt hatte, wurde mit der Restaurierung und einem teilweisen Neubau des Doms beauftragt. Nach zehn Jahren Bauzeit konnte die Kreuzblume auf die neue Turmspitze gesetzt werden, 1880 bezog die Frankfurter Feuerwehr die Brandwache in der Türmerstube.
Domturm-Romantik versus Domturm-Wirklichkeit
Als höchstes Gebäude der Stadt war der Domturm ein beliebter Aussichtspunkt. Viele Besucherinnen und Besucher idealisierten das Leben der Türmer als einsame Wächter hoch oben, weit entfernt vom Getriebe der Stadt. In Goethes „Türmerlied“ aus Faust II, das mit den Zeilen „Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt“ beginnt, wird der Typus entworfen.
Tatsächlich war das Leben auf dem Turm nicht einfach. Die Türmer verpflichteten sich, 24 Stunden Wache zu halten. Vor allem ging es dabei um die Feuerwache – und damit um die Existenz der Stadt. Zu den Aufgaben gehörte auch das Zeitläuten und das Anblasen des Marktschiffs, das täglich aus Mainz kam.
Bei ihrem Dienst wurden die Türmer von den Nachtwächtern auch von ihren Familien unterstützt. Auf diese Weise waren oft auch Frauen mit dem Türmerdienst betraut. Der Pfarrtürmer Alexander Mengel beklagt 1630, dass „ich keine Stund, weder Tag noch Nacht von dem Turm darff […], also dass ich ganz einem gefangenen Mann gleich bin“.Und der Verleger George Friedrich Hartmann aus Königsberg schreibt 1808 „Man sollte Menschen eigentlich nur zur Strafe dahin senden“.
Als Ende des 19. Jahrhunderts die Feuerwehr professionalisiert wurde, verblieb die Brandwache auf dem Domturm. In den 1920er und 1930er Jahren wurde sie mit dem zunehmenden Altstadt-Tourismus ein wichtiges Ziel. Die Türmerstube wurde von Johannes und Elisabeth Rüb fotografisch dokumentiert. Originales Mobiliar ist allerdings nicht erhalten. Eine Installation des Künstlerinnen-Duos „Sounds of Silence“ (Umsetzung: Christian Dörner) entführt im Rahmen der Ausstellung in die Zeit, als noch Türmer auf dem Domturm lebten.
Die Ausstellung „Turm und Stadt, oder: Wofür man einen Domturm braucht“ ist jeden Samstag von 13 bis 18 Uhr, von November bis März, 13 bis 17 Uhr, geöffnet. Der Eintritt kostet 5 Euro, 3 Euro ermäßigt.
Nachtrag von HESSENMAGAZIN.de
Die Ausstellung in der Türmerstübe ist nicht barrierefrei zu erreichen. Im Gegenteil. Der Aufstieg über die 328 Wendeltreppenstufen im Frankfurter Dom kann eine Herausforderung sein. Je nach Tempo und Kondition dauert er bis zu 15 Minuten. Mit Kindern oder in einer Gruppe von Senioren oft auch länger.
Die Treppe ist eng und steil, und „Gegenverkehr“ gehört dazu. Besonders an Wochenenden kann es zu Staus kommen. Einige Ausweichnischen helfen beim Vorbeigehen. Wer Trubel umgehen möchte, kommt früh morgens oder spät am Nachmittag.
Kleine Fenster entlang der Wendeltreppe sind in regelmäßigen Abständen eingebaut und sorgen für etwas Licht und Orientierung beim Aufstieg. Allerdings sind sie schmal und hoch angebracht, typisch für gotische Turmarchitektur, und bieten keinen freien Panoramablick, sondern erzeugen nur Lichtspiele auf den alten Steinstufen.
Auf der der Hälfte des Aufstiegs gelangt man in ein Zwischengeschoss, wo man kurz ausruhen kann. Aber das auch noch: Oben im Turm gibt es keine Toilette.
So what
Hinfinden zum Kaiserdom, der bis 1961 das höchste Gebäude der Stadt war:
Domplatz 1 (Altstadt) in 60311 Frankfurt am Main, www.dom-frankfurt.de
Quelle Zusammenstellung: Brigitta Möllermann, HESSENMAGAZIN.de