[Deutschland] Das im Jahre 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz beinhaltet eine behördliche Meldepflicht für Sexarbeitende. Dazu gehören eine jährliche gesundheitliche Beratung sowie ein Anmeldegespräch. Beides ist Pflicht, um den sogenannten “Hurenausweis” zu erhalten. Betreibende von Prostitutionsstätten sind verpflichtet, die Ausweise der bei ihnen tätigen Sexarbeitenden zu kontrollieren.
Am 15.09.2023 hat das statistische Bundesamt veröffentlicht, wie viele Sexarbeitende sich bis Ende 2022 pflichtgemäß angemeldet haben. Die Zahlen stiegen Vergleich zum Vorjahr, doch sie sind viel geringer als vor der Pandemie. Die mutmaßliche Dunkelziffer ist wesentlich größer.
Sexarbeitende umgehen die Anmeldung, weil sie sie nicht als Schutz empfinden
Die Tätigkeit in der Prostitution ist nach wie vor extrem stigmatisiert. So versucht fast die komplette Branche, nicht in Zusammenhang damit gebracht zu werden. Die Angst vor einem Outing und der öffentlichen Ächtung ist bei Sexarbeitenden groß, besonders dann, wenn Familie vorhanden ist.
So zeigt das Outing von BesD-Mitglied Ella Bizarr sehr anschaulich, wie negativ und auch toxisch die Reaktionen ausfallen, wenn sich ein Elternteil dazu bekennt, Sexarbeiter*in zu sein.
Somit ist es verständlich, dass Eltern ihre Tätigkeit in der Erotikbranche verheimlichen möchten, um die eigenen Kinder vor Diffamierungen und Diskriminierung zu schützen. Darüber hinaus fehlt das Vertrauen in Behörden. Die Angst vor einem Zwangsouting durch die Registrierung ist weit verbreitet.
Neben diesen Faktoren wirkt sich die veränderte Situation in der Erotikbranche ebenfalls auf die Zahl der Anmeldungen aus. Bordellschließungen wegen Corona führten zu einer Verlagerung der Sexarbeit in private Bereiche. Ein großer Teil der Sexarbeitrenden erhielt zudem keine Coronahilfen und war deshalb gezwungen, illegal weiterzuarbeiten.
Diese Milieuverschiebung hat sich bis heute nicht wieder zurückentwickelt. Viele Sexarbeitende sind auf sich alleine gestellt und nur noch schwer auffindbar für Beratungsstellen, Gesundheitsämter und auch für die Polizei.
Fast ausschließlich erfolgen Anmeldungen durch diejenige, die es müssen
Alle Sexarbeitenden, die in Bordellen, Massagesalons, Laufhäusern, Clubs, Agenturen oder sonstigen Prostitutionsstätten arbeiten, kommen nicht um die Anmeldung herum.
Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e. V. plädiert für eine Abschaffung der Anmeldepflicht sowie der verpflichtenden Gesundheitsberatung. Die dadurch frei werdenden Gelder sollten in Sozial- und Gesundheitsarbeit für die Unterstützung von Sexarbeitenden, die sich beruflich umorientieren wollen.
Quelle Text: Johanna Weber, politische Sprecherin des BesD e.V. / www.berufsverband-sexarbeit.de
Gut zu wissen: www.berufsverband-sexarbeit.de/index.php/verband/ueberuns/ <-KLICK