Steuergeldverschwendung: Schwarzbuch 2018/19 mit zehn hessischen Fällen

Mittwoch, den 07. November 2018 um 08:45 Uhr Gut zu wissen - Notiert !
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Symbolbild: BLITZER - Eine der Geld-Quellen für Kommunen (c) HESSENMAGAZIN.de[Hessen] Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat heute sein diesjähriges Schwarzbuch „Die öffentliche Verschwendung 2018/19“ veröffentlicht. Aus diesem Anlass stellte der hessische Steuerzahlerbund zehn Fälle vor, in denen nach Ansicht der Organisation zu sorglos mit öffentlichen Geldern umgegangen wurde. „Das Schwarzbuch zeigt anhand konkreter Beispiele auf, welche Fehler zu Verschwendung führen. Damit wollen wir dazu beitragen, ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden“, erklärt Joachim Papendick, Vorsitzender des BdSt Hessen.

Im Schwarzbuch findet sich in diesem Jahr unter anderem das Kasseler Tapetenmuseum, weil der dafür geplante Neubau deutlich teurer als zunächst angenommen wird und Kosten und Nutzen offensichtlich nicht hinreichend abgewogen wurden. Noch 2010 plante man mit 11,5 Millionen Euro für ein 2.500 Quadratmeter großes Museum. Ende 2017 waren auf einmal 24,4 Millionen Euro für 3.000 Quadratmeter vorgesehen. Auf Nachfrage beim zuständigen Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst folgten leider nur wenig aussagekräftige Antworten.

Konkrete Aussagen zu Kosten-Nutzen-Untersuchungen, prognostizierten Besucherzahlen und Eintrittserlösen blieb das Land schuldig. Vor diesem Hintergrund ist ein Museumsneubau für über 24 Millionen Euro sowie weiteren Personal- und Betriebskosten nicht zu rechtfertigen.

Auch die Stadt Kassel wird im Schwarzbuch kritisiert, weil sie 2015 auf dem Höhepunkt der Fluchtbewegungen nach Deutschland einen ungünstigen Miet- und Betreibervertrag für eine Gemeinschaftsunterkunft abschloss. Das Haus war 2017 bezugsfertig, allerdings fehlten dann die Flüchtlinge. In der Folge wurde die Gemeinschaftsunterkunft in 30 separate Mietwohnungen umgebaut. Doch weil vertraglich keine Ausstiegsklauseln festgelegt wurden, muss die Stadt Kassel weiterhin die für die Flüchtlingsunterkunft vereinbarten Miet- und Betriebskosten begleichen.

Über die Gesamtlaufzeit von 84 Monaten ergibt sich ein Schaden von rund 8 Millionen Euro für die Steuerzahler. Für den BdSt steht fest: Trotz der angespannten Lage 2015 hätte Kassel bei den Vertragsverhandlungen nicht auf eine kürzere Laufzeit, eine Ausstiegsklausel oder die Trennung zwischen Betreiber- und Mietkosten verzichten dürfen.

Museen können in der Regel nicht wirtschaftlich betrieben werden. Deshalb sind die Eintrittskarten meist subventioniert. Doch im Museum Schloss Fechenbach in Dieburg ist die Sache ausgeartet: Weil durchschnittlich weniger als vier zahlende Gäste am Tag kommen, muss die Stadt auf jedes dieser Tickets etwa 450 Euro drauflegen. So wird der städtische Haushalt mit rund 600.000 Euro im Jahr belastet.

Doch diese enorme Last wird nicht zurückgeführt, obwohl die zahlenden Besucher des Museums immer weniger werden. Nach Auffassung des BdSt Hessen muss Dieburg umgehend Maßnahmen ergreifen, um den städtischen Zuschuss zu reduzieren – beispielsweise durch neue (Teil-)Nutzungen der Immobilie.

Der Steuerzahlerbund kritisiert im Schwarzbuch auch, dass sich Frankfurt seit 1. April einen Hauptstadtbeauftragten leistet. Dieser soll die Mainmetropole und ihren Oberbürgermeister bei gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Terminen in Berlin repräsentieren. Zwar werden für flexible Arbeitsräume lediglich 7.000 Euro bereitgestellt, problematisch sind aber vor allem die Personalkosten: Die Frankfurter Steuerzahler müssen daher voraussichtlich insgesamt mindestens 100.000 Euro pro Jahr tragen.

Viel Geld, das zu Hause am Main sinnvoller eingesetzt werden könnte – zumal sich andere Städte durch bestehende Institutionen wie den Deutschen Städtetag ausreichend repräsentiert sehen. Deshalb sollte die Stelle eingespart werden.

Eine ebenso überflüssige Frankfurter Investition sind die sieben so genannten „Grünen Zimmer”. Die Stadt hat dafür insgesamt 460.000 Euro ausgegeben und will so Hitze und Klimawandel etwas entgegensetzen. Es handelt sich dabei um Sitzgelegenheiten, die aus einer Grünwand und einem darüber angeordneten Spalierdach bestehen. Die mobilen Stahlkonstruktionen sind unter anderem mit Lavendel, Erdbeeren, Kiwi, Gräsern, verschiedene Stauden und Wein bepflanzt.

Über Optik und Sinnhaftigkeit der Installationen lässt es sich sicher streiten. Klar ist jedoch, dass sich Frankfurt solche freiwilligen Aufgaben angesichts eines riesigen Haushaltslochs eigentlich nicht leisten kann. Auf derlei PR-Maßnahmen mit mikroskopischer Wirkung hätte man besser verzichtet. Stattdessen sollten sich Städte wie Frankfurt lieber überlegen, wie sie Hitze und Klimawandel wirksam begegnen wollen.

Das südhessische Naturschutzgebiet Weschnitzinsel, in dem viele seltene Vögel leben, darf nicht betreten werden. Deshalb errichtete das Land Hessen außerhalb des Gebiets eine großzügige Beobachtungsplattform für Netto-Baukosten von 43.000 Euro. Diese ist jedoch nur unwesentlich höher als die davorliegende Dammkrone und ermöglicht Besuchern so nur wenig Einblick in das Areal. Zum Verweilen lädt die Plattform auch nicht ein, denn Sitzgelegenheiten sucht man vergeblich.

Insgesamt erscheint die Größe völlig überdimensioniert. Für den BdSt Hessen ein Fall von Steuergeldverschwendung, denn auf diese Konstruktion hätte man verzichten oder sie zumindest in einer anderen Art und Weise bauen sollen.

Einen weiteren Eintrag im Schwarzbuch bescherte dem Land, dass es beim früheren Gebäude des Hessischen Sozialministeriums in eine Sanierungsfalle getappt ist. Die Immobilie wurde Mitte der Nullerjahre zusammen mit über 50 weiteren verkauft und langfristig zurückgemietet. Inzwischen ist der Bau in Wiesbaden dringend sanierungsbedürftig. Es rächt sich nun, dass sich Hessen beim Verkauf darauf einließ, als Mieter auch die Kosten der Innensanierung zu übernehmen: Diese explodierten nämlich von 3 auf 19 Millionen Euro. Geld, das die Steuerzahler in eine Immobilie pumpen, die wohlgemerkt nicht mehr dem Land, sondern einem privaten Investor gehört.

Weil das Ministerium in der Zwischenzeit seinen Sitz verlegte, kommen zusätzlich zu den jährlich 1,75 Millionen Euro für Miete und Betriebskosten des inzwischen verwaisten früheren Ministeriumsgebäudes auch noch 2,7 Millionen Euro im Jahr für den neuen Standort. Laut Medienberichten zeichnen sich anderswo ähnliche Probleme ab. Daher fordert der BdSt Hessen das Land auf, eine Bestandsanalyse der Immobiliengeschäfte vorzulegen und aufzuzeigen, welche Folgekosten durch Sanierungen und Doppelmieten auf die Steuerzahler zukommen.

In der Innenstadt von Fulda sollte die Zahl der Tauben reduziert werden. Dazu wurde für über 70.000 Euro ein Taubenhaus errichtet, wo die Tiere Futter, Wasser und Nistfläche finden und ihre Eier regelmäßig gegen Attrappen ausgetauscht werden. Das Problem: Das 9 Meter hohe Gebäude liegt am Rande der Innenstadt, zur Fulda-Aue hin, was nicht dem natürlichen, urbanen Lebensraum von Stadttauben entspricht. Deshalb verleitet es nur wenige Tiere zum Umsiedeln.

Und so fällt das Kosten-Nutzen-Verhältnis in Fulda vergleichsweise düster aus. Beispiele aus anderen Städten zeigen nämlich, dass Taubenhäuser in der gewohnten Umgebung der Vögel viel besser angenommen werden und obendrein auch erheblich weniger Kosten verursachen.

Schon im Schwarzbuch 2015 kritisierte der BdSt die Anschaffung von drei wenig genutzten Info-Stelen in Limburg für insgesamt rund 350.000 Euro. Inzwischen räumt die Stadt ein, dass die Technik mit Touchbildschirmen „quasi schon beim Aufstellen überholt“ gewesen sei. Das belegt auch die Entwicklung der ohnehin niedrigen Nutzerzahlen: 2017 war es im Durchschnitt nur noch etwa ein Nutzer pro Stele und Tag.

Doch die Schadensbegrenzung fällt der Stadt Limburg nicht leicht, da bei einem Abbau die Rückzahlung von Fördergeldern droht und man sich über das weitere Vorgehen aufgrund des Urheberschutzes mit drei Beteiligten einigen muss. Der mühsame Versuch der Abwicklung zeigt, dass der BdSt 2015 mit seiner Kritik an Sinnhaftigkeit, Mischfinanzierung und Folgekosten genau richtiglag.

Die Stadt Marburg baute 2013 eine öffentliche Toilette für die zahlreichen Besucher der neu gestalteten „Lahnterrassen”. Zunächst lagen die Baukosten bei insgesamt 185.000 Euro. Ein stolzer Preis für eine Einrichtung, bei der ein Zweckbau völlig ausreichend gewesen wäre. Erst 2016 fiel ein erheblicher Fehler auf. Das Abwasser wurde jahrelang munter in die Lahn geleitet. Für die Behebung des Mangels musste die Stadt noch einmal rund 25.500 Euro berappen.

Selbst wenn man der Argumentation der Stadt folgt, dass ein Großteil dieser Summe bei einem korrekten Anschluss 2013 „sowieso” angefallen wäre, verbleibt ein nicht zu beziffernder Schaden für die Umwelt. Für den BdSt steht fest: Wenn Steuergeld ausgegeben wird, kann man eine voll funktionstüchtige Gegenleistung erwarten. Unabhängig vom finanziellen Schaden des Hygiene-Desasters – für die Natur war der Fehlanschluss ein echter Griff ins Klo.

Details zu den Fällen aus Hessen finden Sie auf www.steuerzahler-hessen.de und unter www.schwarzbuch.de.

Quelle Text: Bund der Steuerzahler Hessen