Neue Hinweispflichten für Phytosterine

Donnerstag, den 24. Oktober 2013 um 05:10 Uhr Das leibliche Wohl - Gesund oder ungesund bis giftig
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Fettreich: Sonnneblumenkerne und andere (c) HESSENMAGAZIN.deGleichung: nein + nein = ja?

[Hessen - Deutschland] Lebensmittel dürfen die Gesundheit nicht schädigen. So lautet das primäre Ziel des Lebensmittelrechts. Erreicht werden soll das etwa durch Hygieneanforderungen, die Zulassung von Zusatzstoffen sowie Grenzwerte für bestimmte Stoffe oder Rückstände. Auch Hinweispflichten sind ein gern genutztes Instrument des Gesetzgebers, um den Verbraucher über ein mögliches Gesundheitsrisiko aufzuklären, ihm somit die Grundlage für eine sachgerechte Produktwahl zu bieten - und das, ohne gleich den freien Markt über die Maßen zu beeinträchtigen.

Gleich ein ganzes Arsenal von Hinweispflichten ist für mit Phytosterin* <-KLICK angereicherte Lebensmittel vorgeschrieben. Darunter auch, dass die Produkte ausschließlich für Personen bestimmt sind, die ihren Cholesterinspiegel senken möchten. Diese - bislang positiv ausgedrückte Information - muss künftig anders formuliert werden: Ab Februar 2014 muss auf dem Etikett stehen, dass die Produkte nicht für Personen bestimmt sind, die ihren Cholesterinspiegel nicht zu kontrollieren brauchen.

Die bis dato überwiegend in der Politik und Verwaltung verbreitete Unsitte, eigentlich einfache Sachverhalte durch eine doppelte Verneinung komplizierter darzustellen als sie tatsächlich sind, wird man also künftig auch auf dem Lebensmitteletikett finden. Obwohl doch gerade dort leicht verständliche Informationen eigentlich die Regel sein sollten.

Hintergrund dieser Gesetzesänderung ist die Zulassung zweier Aussagen über den gesundheitlichen Nutzen der Phytosterine: Zum einen erhielt die seit Mitte der 1990er Jahre weitläufig bekannte und wissenschaftlich anerkannte Wirkung der Phytosterine als "natürlicher Cholesterinsenker" das "amtliche Siegel" des EU-Gesetzgebers. Zugelassen wurde die sinngemäße Formulierung "Phytosterine senken nachweislich den Cholesterinspiegel. Ein erhöhter Cholesterinwert gehört zu den Risikofaktoren der koronaren Herzerkrankungen".

Zum anderen darf aber auch mit der sinngemäßen Angabe "Phytosterine tragen zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels bei" geworben werden. Ihre Verwendung ist an eine im Vergleich zur anderen Werbeaussage geringere Aufnahmemenge an Phytosterinen geknüpft. Welche Praxisrelevanz die zweite Wirkaussage überhaupt haben wird, ist sicherlich fraglich; erscheint sie doch im Vergleich der bereits etablierten Werbung recht inhaltsleer. Dennoch veranlasste eben ihr Wortlaut den EU-Gesetzgeber dazu, die Hinweispflichten für die betreffende Produktgruppe neu zu regeln. Denn andernfalls könnten Verbraucher, die ihren Cholesterinspiegel nicht zu kontrollieren brauchen, zum Verzehr entsprechend beworbener Produkte verleitet werden, heißt es in den Erwägungsgründen der Verordnung (EU) Nr. 708/2013.

Dass allerdings dieses hehre Ziel schon mit der seit 2004 geltenden Hinweispflicht offenbar nicht erreicht wurde, zeigt eine gemeinsame Untersuchung des Bundesinstituts für Risikobewertung und der Verbraucherzentralen 2007: Danach verzehren 45 Prozent der Verbraucher Lebensmittel mit einem Zusatz an Phytosterinen, obwohl sie gar keinen erhöhten Cholesterinspiegel haben. Ähnliche Ergebnisse lieferte eine belgische Untersuchung, die 2011 im British Journal of Nutrition veröffentlicht wurde: Danach aßen ein Fünftel der Vorschulkinder regelmäßig derartige Lebensmittel; mehr als die Hälfte der erwachsenen Konsumenten hatte keinen erhöhten Cholesterinspiegel.

Eigentlich ein deutliches Signal, dass zumindest bei den phytosterinangereicherten Lebensmitteln Hinweispflichten allein das Verbraucherverhalten nicht per se in gewünschter Weise beeinflussen können. Mehr als fraglich ist es daher, dass der Verbraucherinformation mit einer neuen, komplizierteren Formulierung in irgendeiner Form gedient ist.

Quelle Text: Dr. Christina Rempe (aid)


Gut zu wissen

Phytosterine, auch Phytosterole, sind eine Gruppe von in Pflanzen vorkommenden chemischen Verbindungen aus der Klasse der Sterine.

Phytosterine kommen hauptsächlich in fettreichen Pflanzenteilen vor. Besonders reich sind sie in Sonnenblumensamen, Weizenkeimen, Sesam und Sojabohnen sowie Kürbiskernen enthalten. Durch Verarbeitung, z. B. Raffinieren von Ölen, verlieren diese einen hohen Teil ihres Gehalts. Wertvoll sind daher besonders die unbehandelten nativen Öle, Fette und Samen.

Phytosterine werden kommerziell aus Sojabohnen bzw. aus Nadelhölzern als Nebenprodukt der Papierherstellung (Finnland) gewonnen. Eine besonders ergiebige Quelle für Phytosterine sind die unverseifbaren Bestandteile von Pflanzenfetten und -ölen sowie die bei der Raffination von Pflanzenfetten/-ölen anfallenden Nebenprodukte.

Bei normaler, westeuropäischer Ernährung werden täglich 160–360 mg an Phytosterinen aufgenommen. Vegetarier kommen auf ungefähr die doppelte Menge. Dies spiegelt sich auch in der höheren Sitosterin-Konzentration im Serum von Vegetariern wider. 5–10 % der verzehrten Menge werden resorbiert (im Darm aufgenommen), der Rest ausgeschieden - der resorbierte Anteil über die Galle.

Phytosterine zeigen eine additive Wirkung mit Statinen und anderen Cholesterinsenkern in bezug auf die Senkung der Blutfette.

Bislang gibt es keine Studie, die eine gesundheitsschädigende Wirkung von mit Phytosterinen angereicherten Lebensmitteln wie zum Beispiel Becel bei Personen ohne Phytosterinämie eindeutig belegt.

Laut neuesten Erkenntnissen können pflanzliche Sterine jedoch auch negative Effekte auf die Gefäßgesundheit haben und daher nicht die herzschützende Wirkung haben, mit der sie beworben werden. (Wikipedia)

Foodwatch verklagt Unilever wegen Phytosterinen in Margarine

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Möglicherweise ist der bislang empfohlene Grenzwert einer täglichen Zufuhr von höchstens drei Gramm zu hoch

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