Die Suche nach dem unsichtbaren Rauch am Himmel

Mittwoch, den 11. Juni 2025 um 06:56 Uhr Gut zu wissen - Umwelt
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Der Himmel über uns - Symbolbild (c) HESSENMAGAZIN.de [Welt] Die Luft ist oft schmutziger als bislang angenommen. Darauf deuten zumindest Messergebnisse mittels Fluoreszenz-Lidar-Technik hin. Diese Methode erlaubt es, bisher praktisch nicht erfassbare Partikelschichten in der Atmosphäre zu analysieren. So zeigten sich etwa bei den Waldbränden in Kanada zusätzliche dünne Rauchschichten im Himmel.

Aerosolpartikel beeinflussen den Energie- und Wasserhaushalt der Erde: Sie streuen und absorbieren die Strahlung und beeinflussen damit die Energiebilanz auf globaler Ebene. Indem sie als Wolkenkondensationskerne oder Eiskeime dienen, können diese Partikel die mikrophysikalischen Eigenschaften von Wolken beeinflussen und sie mehr oder weniger reflektierend machen.

Ob der Tropfen um einen Partikel in einer Wolke flüssig bleibt oder gefriert, verändert die Klimawirkung dieser Wolke stark. Neuere Studien deuten darauf hin, dass das Gefrieren in hohen Eiswolken, insbesondere durch Rauchpartikel von großen Waldbränden, noch genauer erforscht werden muss.

Den Himmel lasern, um Partikelarten zu bestimmen

Ein Ansatz dazu ist die Verwendung von Lidar-Geräten, die per Laser vom Boden oder von Satelliten aus Aerosole und Wolken aus der Ferne beobachten. So auch in Leipzig: Martha ist das größte und älteste Lidar am dort angesiedelten Leibniz-Institut für Troposphärenforschung Tropos. Martha steht als Akronym für Multiwavelength Atmospheric Raman Lidar for Temperature, Humidity, and Aerosol Profiling.

Dieses Lidar sendet Laserlicht auf drei Wellenlängen (355, 532 und 1.064 Nanometer) aus und sammelt das zurückgestreute Licht mit einem großen Hauptspiegel von 80 Zentimetern Durchmesser. Im Empfänger wird das von den Partikeln in der Atmosphäre zurückgestreute Laserlicht analysiert, indem es mithilfe von präzisen Optiken nach verschiedenen Wellenlängen sortiert wird: Anhand der Polarisation (Drehung) und dem unterschiedlichem Streuverhalten bei den verschiedenen Laserwellenlängen können Forscher auf die Art der Partikel schließen.

Aber die Unterscheidung in hohen Schichten zwischen Rauch und vulkanischen Sulfaten sowie in tiefen Schichten zwischen Rauch und städtischer Verschmutzung ist nach wie vor schwierig, da sich die typischen Wertebereiche für Polarisation, Rückstreu- und Absorptionseffizienz der verschiedenen Partikelarten überschneiden. Diese Lücken können nun per Fluoreszenz geschlossen werden. Das erste moderne Mehrkanal-Atmosphären-Lidar-System mit Fluoreszenztechnologie wurde am Lindenberg-Observatorium des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vor über einem Jahrzehnt implementiert. Seitdem arbeiten verschiedene Forschungsgruppen weltweit daran, diese Technologie.

Moderne Technik, manuell bedient

Das Martha-System in Leipzig erhielt im August 2022 einen zusätzlichen Empfangskanal, der die Fluoreszenzrückstreuung messen kann. Dabei kommt ein Interferenzfilter zum Einsatz, der bei 466 Nanometern zentriert ist, um einen Teil des Fluoreszenzspektrums von Aerosolpartikeln herauszufiltern.

Aufgrund der großen Bandbreite des Fluoreszenzkanals und der geringen Intensität des Fluoreszenzsignals sind Messungen nur während der Nacht möglich. Tagsüber würde die gestreute Sonnenstrahlung zu viel Rauschen im Fluoreszenzkanal verursachen. Da das Martha-System manuell bedient wird, ist die Zahl der Messungen begrenzt: Von August 2022 bis Oktober 2023 wurden etwa 50 Messungen durchgeführt, die mehr als 250 Stunden an atmosphärischen Fluoreszenzbeobachtungen erbrachten. Die Ergebnisse wurden jetzt veröffentlicht. Dabei konzentrieren sich die Forschenden auf einzelne Fallbeispiele.

Als Kanada im Rauch verschwand

Im Frühjahr und Sommer 2023 wüteten riesige Waldbrände in Kanada, vor allem in den Provinzen Alberta und British Columbia. Mit den vorherrschenden Westwinden wurden große Mengen an Waldbrand-Rauch aus der verbrannten Biomasse nach Europa transportiert. Infolgedessen beobachteten die Forschenden von Mitte Mai bis September 2023 häufig Rauchschichten von Waldbränden über Leipzig, so zum Beispiel am 4. und 5. Juli 2023.

In dieser Nacht erstreckte sich eine über zwei Kilometer dicke Rauchschicht in der Atmosphäre über Leipzig, die sich durch eine besonders starke Fluoreszenz auszeichnete. „Neben der Bedeutung für die Identifizierung von Aerosoltypen deuten unsere Ergebnisse auf eine weitere Fähigkeit der Fluoreszenz-Lidar-Technik hin: die Erkennung optisch dünner Aerosolschichten“, berichtet Benedikt Gast vom Tropos. „In mehreren Messungen mit dem neuen Fluoreszenzkanal zeigte ein erhöhtes Fluoreszenzsignal das Vorhandensein von Aerosolschichten an, die bei der ausschließlichen Verwendung der bisherigen Standardtechnik unbemerkt blieben.“

Klare Luft oder unsichtbare Aerosole?

Besonders eindrucksvoll zeigte sich die Detektionsleistung des Lidar-Systems am 21. September 2022: Mit klassischen Methoden betrachtet schien die obere Troposphäre ziemlich sauber zu sein. Nur die verschmutzte Grenzschicht am Boden und einige dünne Schichten bis zu 4 km Höhe wiesen auf Aerosol hin. „Ein erhöhter Fluoreszenz-Rückstreukoeffizient enthüllte jedoch mehrere andere fluoreszierende Aerosolstrukturen in der gesamten mittleren und oberen Troposphäre in etwa 5, 7, 9 und 10 km Höhe“, sagt Dr. Cristofer Jimenez vom Tropos.

„Die höheren Schichten wären ohne die zusätzlichen Fluoreszenzinformationen vermutlich nicht als Aerosolschichten erkannt worden. Das demonstriert, dass mit Fluoreszenz-Messungen solche dünnen Aerosolschichten leichter aus den Vorschaubildern identifiziert und für eine detaillierte Analyse ausgewählt werden können“, erläutert der Forscher.

Aufgrund ihrer geringen optischen Dicke haben solche dünnen, sehr hohen Aerosolschichten möglicherweise keine relevante direkte Strahlungswirkung, aber die darin enthaltenen Partikel könnten die Wolkenbildung beeinflussen, z. B. indem sie als Eiskeime dienen. In beiden Beispielen kennzeichneten die Messungen des Fluoreszenzrückstreukoeffizienten dünne Waldbrandrauchschichten in relativ großen Höhen um die Tropopause. Dieser Höhenbereich ist häufig ein geeigneter Ort für die Bildung von Zirruswolken. Die Relevanz von Rauchpartikeln, als Eiskeime zu fungieren, wird in der Forschung noch diskutiert.

Rauchpartikel als Wolkenkeime

Bisher gilt Waldbrandrauch bei Temperaturen über -30 °C im Vergleich zu anderen Aerosolarten wie Mineralstaub als eher ineffizient. Die neuen Beobachtungen geben nun Anlass, eine mögliche Wirkung von Rauchpartikeln als Eiskeime für die Bildung von Zirruswolken weiter zu untersuchen. Denn mehrere Beobachtungen zeigten Zirruswolken direkt unterhalb von Rauchschichten.

Als ein Beispiel wird die Messung in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2023 präsentiert. Laut Angaben der Forschenden ist dies das erste Mal, dass die Wirkung optisch dünner Rauchschichten auf Zirruswolken per Fluoreszenz untersucht wurde.

Zu Beginn der Messung waren Teile der Zirruswolken sogar in die Rauchschicht eingebettet. Da reines Wasser oder auch die kleinen Eiskristalle in Zirruswolken nicht fluoreszieren, können mit der Fluoreszenz-Technik auch Aerosolpartikel innerhalb der Wolke detektiert werden. Der Höhenverlauf der Fluoreszenzrückstreuung, eine geringe Anzahl an Eiskristallen sowie die Anordnung der Rauch- und Wolkenschicht und deren zeitlicher Verlauf deuten darauf hin, dass die Rauchpartikel die Wolkenbildung ausgelöst haben könnten, indem sie als Eiskeime dienten.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Leipziger Messungen von 2022/23 zeigen, dass optisch dünne Rauchschichten in großen Höhen häufiger als gedacht auftreten. Diese dünnen Rauchschichten sind für herkömmliche Lidarsysteme unsichtbare und wurden nur mit der zusätzlichen Analyse des Fluoreszenzstreulichtes detektiert. Dies deutet darauf hin, dass die Atmosphäre über Europa möglicherweise stärker verschmutzt ist als bisher angenommen, insbesondere während der Waldbrandsaison im Sommer.

Auch wenn diese dünnen Schichten keinen großen direkten Einfluss auf das einfallende Sonnenlicht haben, so könnten Rauchpartikel aber in diesen Höhen zu einer zusätzlichen Quelle für Wolken in einer ansonsten relativ sauberen Atmosphäre werden und dann doch Einfluss auf das einfallende Sonnenlicht und damit das Klima am Boden haben. Die Untersuchung solcher Aerosolschichten mit Fluoreszenz-Lidaren könnte mehr Klarheit bringen.

Mehrere Beobachtungen von Zirruswolken direkt unter Rauchschichten deuten darauf hin, dass dieser Rauch in solchen Fällen die primäre Quelle von Eiskeimen sein könnte und heterogenes Gefrieren der dominierende Prozess ist. Um diesen möglichen Aerosol-Wolken-Effekt genauer zu erforschen, wäre ein größerer Datensatz von Vorteil und könnte belastbare Beweise und detailliertere Einblicke in diese Hypothese liefern.

Quelle Text: Leibniz Institut für Troposphärenforschung