Apfelsaft und -wein: Das Beste vom Apfel

Mittwoch, den 22. August 2012 um 09:56 Uhr Das leibliche Wohl - Wein, Bier & Getränke - kühl oder heiß
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Die Heimat des Apfels: Streuobstwiesen in Hessen

Apfelwein stilgerecht im Bembel und Gerippten serviert (c) schnorbsi / pixelio.deExtensiv bewirtschaftete kleinere Apfelplantagen mit wenigen Eingriffen in die Natur prägen das Bild vieler Wiesen unserer Region bis hinunter in die Flussebenen. Der kernige Apfel ist unser Standardobst. Im Frühjahr steht alles in Blüte auf den Streuobstwiesen - ein kleines Paradies mit einem speziellem Ökosystem, in dem viele verschiedene Tiere leben.

Bienen und Hummeln bestäuben die Blüten. Spinnen, Amphibien und kleine Reptilien mögen den Wechsel von Sonne und Schatten. Vögel brüten bevorzugt in den Bäumen, und auch Fledermäuse hausen gerne in den Asthöhlen knorriger Stämme. Sie alle ergattern dort reichlich Nahrung zur Aufzucht ihrer Jungen. Am Boden dieser halboffenen Wiesenlandschaft finden zudem Igel, Maus und Hase ideale Lebensbedingungen. Leider kam in den 1970er Jahren fast das Aus für die hochstämmigen Bäume. Um industriell bewirtschaftete Obstplantagen mit niedrigstämmigen Obstbäumen zu fördern, zahlte die EG Rodungsprämien. Durch diese agrarpolitischen Maßnahmen verschwanden viele Streuobstwiesen.

Geschichte: Frischegenuss mit langer Tradition

Im Garten Eden reichte unsere Urmutter Eva ihrem Lebensgefährten Adam einen Apfel. Er war von Baum der Erkenntnis gepflückt, ihn zu essen war verboten. Gut, dass sich das inzwischen geändert hat. So ist von den Germanen z. B. überliefert, dass sie Äpfel schon zur Herstellung von Mus und Most zu schätzen wussten. Aus ihrem Saft produzierten sie mit Hilfe von Honig Met. Seitdem die Menschen sesshaft geworden waren, gehörte bald jeder Familie im Dorf ein Apfelbaum.

Apfelbaum mit erntereifen Früchten (c) HESSENMAGAZIN.de
Apfelbaum mit erntereifen Früchten (c) HESSENMAGAZIN.de

Aus unterschiedlichen Klimaregionen kannte man bis in die Zeit der Industrialisierung weltweit rund 20.000 Apfelsorten, mit denen üblicherweise auch gekocht und gebacken wurde. Noch im 18. Jahrhundert spielten die Früchte bei der Versorgung der Bevölkerung eine bedeutende Rolle. Voller Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, dazu ohne Fett, konnten Äpfel schon immer zur gesunden Ernährung beitragen.

Die Früchte von Apfelbäumen nehmen am Ende des Sommers ihren Weg als Tafelobst, getrocknetes Backobst, eingekochte Marmelade oder Mus, Saft, Most und Brand bzw. Obstler. Gekeltert wird in der Rhein-Main-Region verstärkt erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Neben einigen Großkeltereien existieren inzwischen auch wieder Wirtshauskelterer, die eigenen Apfelwein in aller Überzeugung selbst herstellen, sowie kleinere Betriebe, die nach alten Hausrezepten keltern. Mostereien und Keltereien sind heute oft in Verbänden organisiert, die sich um den Erhalt der letzten Streuobstwiesen, die Vermarktung der Produkte und Öffentlichkeitsarbeit kümmern.

Herstellung: Wie der Apfel verflüssigt ins Glas kommt

Ab September wird in den Keltereien Obst angeliefert. Das wird gewaschen und sortiert, um nach der Zerkleinerung meistens kalt gepresst zu werden. Apfelwein ist nach einer Reinhaltungsbestimmung aus dem Jahre 1638 in der Regel bis heute ein echtes Naturprodukt. Die eigentliche Kunst der Herstellung von Säften und Mosten liegt jedoch in der speziellen Kombination verschieden schmeckender Sorten. Nach dem Zusatz von Hefe beginnt der Apfelsaft durch seinen Zuckergehalt in Fässern - heute in Edelstahltanks - zu gären. Ein "Rauscher" mit ca. 3 % Alkohol entsteht nach ein bis zwei Wochen. Durch seinen Kohlensäuregehalt prickelt er dem Genießer auf der Zunge. Er ist mit dem Federweißen des Traubenweins vergleichbar, den es ebenfalls nur kurze Zeit zu kosten gibt.

Apfelsaft: Beim Streuobstwiesenfest frisch gekeltert (c) HESSENMAGAZIN.de
Apfelsaft: Beim Streuobstwiesenfest frisch gekeltert (c) HESSENMAGAZIN.de

Etwa drei bis vier Monate später wird der Apfelwein fertig vergoren, eventuell noch durch leichte Schwefelung oder andere Verfahren haltbar gemacht, gefiltert und in Flaschen abgefüllt. Im Gegensatz zum Apfelsaft muss er dabei nicht erhitzt, also pasteurisiert, werden. Einige Hersteller versetzen ihre Produkte mit Speierlingsfrüchten, um sie durch höheren Gerbstoffgehalt länger haltbar zu machen. Most und Saft sind erfrischend und naturtrüb, sie werden in der warmen Jahreszeit gerne kühl getrunken. Im Winter ist heißer Apfelwein ein gutes Mittel gegen Erkältungen - aufgepeppt mit etwas Zucker, einer Zimtstange, Gewürznelken und / oder einer Scheibe Zitrone.

"Äppel-" oder "Ebbelwoi" ist ein typisch hessisches Produkt, das am liebsten mit "Handkäs und Musik" (magerem, eiweissreichen Sauermilchkäse, eingelegt in Essig, Öl, Kümmel sowie Zwiebeln) sowie mit Rippchen und Sauerkraut gereicht wird. Touristen wissen, wo sie solcherlei genießen können: in Frankfurt-Sachsenhausen. Nicht viele Gastronomen anderer hessischer Städte nutzen dieses Potential und stellen sich als reine Apfelweinwirtschaft dar. Bislang hat das Volksgetränk lediglich einen einheimischen Touch mit wenig modischem Anspruch. Dabei könnte man es durchaus als Vorteil sehen, dass sein geringer Alkoholgehalt von etwa 6 % hauptsächlich gute Laune und selten betrunken macht. Zudem reicht man Apfelwein auch ohne Imageverlust mit Mineralwasser oder Zitronenlimonade verdünnt als Schorle. Bestellt wird entsprechend ein "Süß-" oder "Sauergespritzer".

Bekannt und immer beliebter: Das Image des kultigen "Stöffche"

Zur "Hessischen Apfelwein- und Obstwiesenroute" wurde 1995 ein Wander- und Radweg ernannt, der in mehreren Etappen an Streuobstwiesen und verschiedenen Partnern, wie Keltereien und Gaststätten, vorbeiführt. Im kennzeichnenden Logo sieht man einen roten Apfel, umkreist von einem grünen Pfeil. Der "Apfelbote" ist die dazu gehörende Informationsbroschüre. Mitglieder in der Vereinigung sind ferner Städte und Gemeinden, Naturschutzverbände, Obst- und Gartenbauvereine, Weingüter und andere Betriebe. Hin und wieder werden Führungen und andere Aktionen, beispielsweise vom Umweltamt, angeboten.

Kindern macht Apfelpflücken Spaß (c) Friedrich Boehringer / WikimediaCommons
Kindern macht Apfelpflücken Spaß (c) Friedrich Boehringer / WikimediaCommons

"Vom Baum ins Glas" ist der Slogan des Marktführers der Region. Die alteingesessene Kelterei Possman in Frankfurt ist ein Familienbetrieb, der hauptsächlich das Obst von Streuobstwiesen umliegender Regionen verwendet. 2012 hat er an seinem Stammsitz in Rödelheim ein Fachwerkrestaurant in einer ehemaligen Werkstatt eröffnet. Um die Tradition der letzten Jahrzehnte hochzuhalten, wird in seiner "Frankfurter Äpfelwein Botschaft" neben verschiedenen Getränkekreationen Mittagstisch pro Gericht zu Preisen unter 6 Euro angeboten. Beim Genießen der typischen Frankfurter Gerichte mit "Himmel und Erde", "Grüner Soße" u. a. nimmt man Platz auf Holzstühlen aus dem Nachlass des Firmengründers.

Blühender Apfelbaum (c) HESSENMAGAZIN.deDeutschlands älteste Kelterei Höhl aus Hochstadt kooperiert mit der Primus-Reederei in Frankfurt und bietet immer mal wieder Apfelweinfahrten auf dem Main an. Unter dem Motto: "Beim Ebbelwei, da biste Mensch, da kannst des sei..." wird ein Mehrgängemenü zu Apfelweinspezialitäten serviert. Richtig edel geht es dagegen zu, wenn eine Eventagentur und ein Apfelweinsommelier zur Jahrgangspräsentation und Gourmetmenüs in den Römer, das Frankfurter Rathaus, einladen. Gleichzeitig eröffnen sie exklusiv dazu eine "Internationale Apfelweinmesse", auf der u. a. Fachbesucher die Möglichkeit haben, die ganze Vielfalt von mehr als 200 Apfelweinen, Apfeldessert- und -schaumweinen oder Perlweinen, Cidres, Edelbränden und feinem Apfelessig zu probieren.

Öffentlicher Ausschank des herben, fruchtigen Getränks aus Streuobstwiesenäpfeln wird besonders bei Festen in Südhessen zelebriert. Oft bekommt man dann Gerichte mit Apfel - sogar in Wurst und Schinken kombiniert oder in Suppe und Flammkuchen. An solchen Tagen wird der Anfänger recht schnell zum Experten, wobei Geschmack und Qualität ausschlaggebend sind. Beim Apfelweinfest "Stöffche Total" auf dem Frankfurter Roßmarkt konstatierten deshalb die Veranstalter, dass sich der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch von sieben Litern Apfelwein durchaus noch steigern lässt.

Gartenbauvereine und NABU laden im frühen Herbst zu Festen auf Streuobstwiesen ein (c) HESSENMAGAZIN.de
Gartenbauvereine und NABU laden im frühen Herbst zu Festen auf Streuobstwiesen ein (c) HESSENMAGAZIN.de

Der "Ebbelwoi-Express" ist eine einmalige Touristenattraktion in Frankfurt. Seit 1977 verkehrt diese ältere, bunt bemalte Straßenbahn alle 35 Minuten an den Wochenenden vom Zoo durch die Altstadt ins Bahnhofsviertel, wendet an der Messe, um durch Sachsenhausen über den Main an den Ausgangspunkt zurückzukehren. Unterwegs bekommen die mitfahrenden Gäste vom Schaffner neben Apfelwein auch Apfelsaft, Mineralwasser und Brezeln vorgesetzt. Das ist im Fahrpreis inklusive.

Traditionell gehören in der hessischen Apfelweinhochburg am Main der "Bembel", eine bauchige graue Steingutkanne mit blauem Muster, und der Apfelwein zusammen. Eingeschenkt wird üblicherweise in 0,3 Liter Gläsern, die wegen ihrer speziellen Rautenstuktur als "Gerippte" bezeichnet werden. Bekannt geworden ist diese Kombination durch mehr als 200 Fernsehausstrahlungen des "Blauen Bock". Die Unterhaltungssendung mit Heinz Schenk und Lia Wöhr im Lokalkolorit wurde von 1957 bis zum Jahr 1987 in unterschiedlichen hessischen Städten aufgezeichnet. Am Ende erhielten die auftretenden Künstler und Gäste zur Erinnerung immer einen Bembel.

Weitere Unterstützung bekommt diese Sparte urhessischer Kultur höchstwahrscheinlich einmal in einem Apfelweinmuseum in Frankfurt. Bislang wurden in einer Abteilung des Historischen Museums alte Steingutkrüge, Pressen und Werkzeuge gezeigt. In der Kneipe "Historix" konnte das Stöffche gleich verkostet werden.

Schild am Wegesrand: Wunderbare Welt der Streuobstwiese (c) HESSENMAGAZIN.de
Schild am Wegesrand: Wunderbare Welt der Streuobstwiese (c) HESSENMAGAZIN.de

Übrigens: Wer in Frankfurt genüsslich einen Schoppen Apfelwein aus dem Gerippten zu trinken pflegt, wird als "Schobbepetzer" bezeichnet. Ganz nebenbei - und vielleicht ohne es zu ahnen - leistet er gleichzeitig einen Beitrag zum Naturschutz und trägt zum Erhalt des Lebensraums Streuobstwiese bei.


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